Gedanken – Überlegungen



Für Karl Peter Muller (KPM) war Kunst Berufung, permanent Aufgabe, Arbeit und Freiheit zugleich. Er suchte stets den Ursprung, die Wurzel zu ergründen. Hierbei war die Reduzierung alles Gesehenen, Gehörten, Gerochenen, Geschmeckten, Gefühlten und Empfundenen sowie dessen künstlerische Transponierung und Gestaltung der Motor seiner unermüdlichen Schaffenskraft in Bild, Farbe, Form, Wort und Ton. Die LINIE wurde in seiner persönlichen Entwicklung als Maler neben dem zu bearbeitenden Thema immer wesentlicher, sowohl in ihrer Bedeutung als AUSGRENZUNG, wie auch gleichzeitig als EINSCHRÄNKUNG. Sie schaffte ihm als Künstler die Möglichkeit hinter seinen Horizont zu sehen.

„In der Phase der Entwicklung der Linie“, so schrieb er einmal „wurde mir ein Gras oder auch ein Strohhalm zu einer stärker wahrnehmbaren Linie, als das zitternd-seismographische Zeichen meiner Hand, dazu kommen noch der Lichteinfall und der Schatten des Grases. Mit dieser Logik entstanden meine ersten Strohcollagen im Elsass, das zu meiner Heimat (und auch zu seiner letzten Ruhestätte) wurde.“



Dieser Logik folgend entstanden neben den Bildern, Collagen und Texten zum Thema ’die Grasharfe’ auch Reliefs und Assemblagen, einige wurden in Bronze umgesetzt. Ihm ging es stets darum, seine EIGENE LINIE zu finden.

Am Anfang seiner Kunst stand die Beobachtung. Bei Kokoschka ging er in die Schule des Sehens. „Ich habe das Sehen trainiert und immer wieder das Zeichnen, um meine eigene Linie zu finden und hinter dieser herzulaufen. Durch Reduktion will ich die Unruhe verbannen, den nervösen Strich, um ohne anzuhalten die Linie wie ein Kind lauten zu lassen, so weit sie geht, auch über das Blatt, über die Leinwand hinaus. Daher habe ich auch immer wieder Blindzeichnungen geübt, die für mich eine ganz andere, besondere Spannung entwickeln. Das Reduzierende, die ganz leise Spannung, die auf der Leinwand durch immer wieder brechende Linien entsteht, führt bei mir dann letztendlich in eine Befreiung. Man meint in solchen Momenten, seine eigene große Linie zu spüren und gefunden zu haben.

Mein Bestreben ist es, die Spannung in der Stille durch die Linie und durch die Kultivierung dieser Linie zu bewahren. Hierfür bietet mir das tägliche Sehtraining eine gute Chance, die von außen auf mich ständig einstürzende Reizüberflutung abzublocken, um mich dann auf das Wesentliche konzentrieren zu können.“

„Zunächst gilt es, Grundierungen zu schaffen auf Leinwand oder Papier, die wie natürlich gewachsen sind, wie Haut, wie die Oberfläche eines Felsens, wie Pergament; mit Erdfarben eigene Farbigkeiten entwickeln, um darauf wieder im ständigen Vor und Zurück dann Zeichen zu setzen, so dass im Verlauf des Arbeitsprozesses eine Homogenität entsteht. Dieses Voranschreiten ist ein langsamer und kein eruptiver Prozess. Es ist ein Meditationsprozess. Es ist nicht die schnelle Zeichnung, die ja durch schnelles, präzises Sehen aus der Bewegung heraus entsteht. Dies sind meine täglichen Etüden, so wie sie auch Picasso pflegte.

Dies ist das Repertoire, das ich mir als Maler allmählich schaffe und das man letztlich auch selbst ist. Aus diesen Formen entstehen wiederum neue Formen, die aber trotzdem die alten sind. Alles ist bereits vorhanden. Es gilt jedoch für einen jeden, seine eigene Form zu FINDEN. Auch sie ist schon vorhanden.

Deshalb wird ein Fundstück für mich erst dann zum eigentlichen Fundstück, wenn ich es aufhebe bzw. wenn ich es hervorhebe. Es heißt ja deshalb auch, seine eigene Linie FINDEN.“ Das Gestalten, Malen, Formen, Zeichnen ging in seinem Leben immer allem anderen voran. In keinem Fall bestand für ihn die Maxime des Davor-Stehens vor einem Bild, sondern eher umgekehrt, d.h. hinter das Bild treten, das Bild selbst sprechen lassen, die Stille suchen und nicht das Laute.

Einen hohen Stellenwert hatte in der Zeit von ca. 1984 - 94 seine Lehrtätigkeit an verschiedenen privaten Sommer- und Winterakademien. Es war dies auch für seine persönliche Entwicklung eine sehr wichtige und prägende Phase; einen Umgang mit wachen, denkenden, aufgeschlossenen und interessierten Menschen (viele übten selbst Lehrberufe aus) zu pflegen, und sich selbst ständig zu überprüfen und zu hinterfragen („Was hast Du nun wirklich mitzuteilen?“).

Aus diesen Kursen zog er sich die Begabtesten und Einfühlsamsten heraus, um mit ihnen gemeinsam in seinem Atelier in Maximiliansau mit gezielten thematisch ausgerichteten Programmen und Workshops ein Gedanken und Themen weiterzuführen und zu vertiefen. Im Verlauf dieser 10 Jahre sind einige eigenständige Überlegungen und Ergebnisse entstanden.

Insbesondere folgende Themen beschäftigten ihn und seine Schüler bei den gemeinsamen Arbeiten in jener Zeit: Zwischenräume | Denk – mal | Schamane – Hohepriester – Fetischismus | Selbstbemalung | Klangfarbe – Klangteppich | Kontrapunktik in der Malerei arbeiten | Vom Boden aus | Über das Absurde, Heitere und Zufällige in der Kunst | Es gibt keinen Zufall | Sisyphos | Sisyphos als heiterer Mensch | Die Summe aller kleinen Schritte ist der Weg | Rauminstallationen | Bühne und Bühnenbild; selbst entwickelte Performance | Die Linie zwischen den Figuren | Arbeiten mit Abfallmaterialien (Schrott – Pflanzen – Tücher – Abfallpapiere – FUNDSTÜCKE) | In jedem Fall aufnehmen, was da ist | Schreitend – zeichnen; Zeichnend - schreiten | Collage mit Linol- und Holzschnitt | Textcollage | Linien schneiden – der Schere folgen | Einlassen auf die Grenze dieser Linie (Henri Matisse) | Ritzungen – Schabungen - Verwundungen | Scraffiti und Wandmalerei | Auseinandersetzung mit unserem Umfeld | Auseinandersetzung mit dem herkömmlichen Lebenslauf.

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